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Visitation Predigt im Abschlussgottesdienst (16.09.2018)

16.09.2018

Visitation Predigt im Abschlussgottesdienst
Predigt von Pastor Lothar Podszus über Apg. 12,1-11, 16.S.n.Trin., 16.9.2018 - Visitationsgottesdienst in Duingen

Predigttext


1 Um diese Zeit legte der König Herodes Hand an einige von der Gemeinde, sie zu misshandeln.
2 Er tötete aber Jakobus, den Bruder des Johannes, mit dem Schwert.
3 Und als er sah, dass es den Juden gefiel, fuhr er fort und nahm auch Petrus gefangen. Es waren aber eben die Tage der Ungesäuerten Brote.
4 Als er ihn nun ergriffen hatte, warf er ihn ins Gefängnis und überantwortete ihn vier Abteilungen von je vier Soldaten, ihn zu bewachen. Denn er gedachte, ihn nach dem Passafest vor das Volk zu stellen.
5 So wurde nun Petrus im Gefängnis festgehalten; aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott.
6 Und in jener Nacht, als ihn Herodes vorführen lassen wollte, schlief Petrus zwischen zwei Soldaten, mit zwei Ketten gefesselt, und die Wachen vor der Tür bewachten das Gefängnis.
7 Und siehe, der Engel des Herrn kam herein und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.
8 Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und zieh deine Schuhe an! Und er tat es. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um und folge mir!
9 Und er ging hinaus und folgte ihm und wusste nicht, dass das wahrhaftig geschehe durch den Engel, sondern meinte, eine Erscheinung zu sehen.
10 Sie gingen aber durch die erste und zweite Wache und kamen zu dem eisernen Tor, das zur Stadt führt; das tat sich ihnen von selber auf. Und sie traten hinaus und gingen eine Gasse weiter, und alsbald verließ ihn der Engel.
11 Und als Petrus zu sich gekommen war, sprach er: Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel gesandt und mich aus der Hand des Herodes errettet hat und von allem, was das jüdische Volk erwartete.

Predigt


Liebe Gemeinde,

was für eine großartige Geschichte, die uns da berichtet wird. Und manch einer mag im Stillen auch denken: Was für eine großartige Geschichte, die uns da zugemutet wird. Ist sie nicht fast zu wunderbar, um wahr zu sein?
Petrus hat selber lange nicht begriffen, was wirklich geschehen ist. Alles nur ein Traum? Nur eine Erscheinung? Eine Vision? Ja, es gibt wirklich Träume, die sind zu schön, um wahr zu sein. Es gibt Träume, an deren Ende steht ein böses Erwachen. Wie oft holt uns die nüchterne Realität schneller wieder ein, als es uns lieb ist.
Auch Petrus musste sich mehrmals kneifen, weil er einfach nicht glauben konnte, was da geschah. Doch am Ende blieb ihm nichts anderes übrig, als stammelnd zu bekennen: "Es ist tatsächlich wahr - der Herr hat seinen Engel gesandt und mich befreit!"
Diese wunderbare Geschichte von der Befreiung des Petrus versetzt uns in eine Zeit, als es mit der Kirche gerade erst begonnen hat.
Und da unsere Gemeinden in diesen Tagen visitiert wurden, kann ein Blick zurück zu den Anfängen der Kirchengeschichte sehr spannend sein.
Was nehmen wir wahr, wenn wir diese fast unglaubliche Geschichte aus den Anfängen der Christenheit hören?
Was gibt uns Anlass zum Nachdenken, auch zum selbstkritischen Nachdenken? Was spricht uns an? Was ermutigt uns, was stärkt uns, was berührt unser Herz? Es ist ja immer wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die Menschen ein und dasselbe Ereignis erleben und wie unterschiedlich sie auch davon berichten.

Da gibt es zunächst die vordergründige, die offensichtliche Seite dieser Geschichte.
Da liegt einer, der es ernst gemeint hat mit der Nachfolge Jesu - in Ketten gebunden, hilflos und wehrlos denen ausgeliefert, die Macht über ihn haben. Das Ganze sieht nicht wirklich gut aus und ist für den unvoreingenommenen Betrachter keineswegs ermutigend.

Doch es gibt noch eine andere, zweite, eine hintergründige Seite dieser Geschichte. Es ist fast so wie ein Blick hinter die Kulissen, wenn wir erfahren: "Die Gemeinde betete Tag und Nacht für ihn zu Gott!"
Stellen wir uns einmal vor, auch die Jerusalemer Gemeinde wäre visitiert worden. Stellen wir uns einmal vor, auch damals hätte es so etwas wie einen Visitationsbericht gegeben.
Ich bin sicher, in diesem Bericht hätte sehr viel Positives und Ermutigendes gestanden. Denn immer und immer wieder hat Gott durch seinen Geist auch in dieser Gemeinde spürbar und erfahrbar gewirkt.
Aber es wäre in diesem Bericht auch sehr nüchtern geschildert worden, wie beschwerlich und wie hart und wie mühsam die Anfänge der Kirche gewesen sind. Und wie sie von Anfang an auch geprägt gewesen ist von Leid und Verfolgung.
Doch dann stünde da in diesem Visitationsbericht dieser eine großartige Satz, den ich mir sofort mit einem Textmarker angestrichen hätte. Dieser eine Satz, der tiefer blicken lässt als die Wahrnehmung von Freud und Leid. Und das ist der Satz: "Die Gemeinde betete zu Gott Tag und Nacht!" Was für ein Blick hinter die Kulissen!
Man kann der Kirche ja vieles nachsagen, Gutes und weniger Gutes. Jeder hat da seine eigene Sichtweise und seine eigenen immer wieder auch leidvollen Erfahrungen.
Die einen blicken auf die Kirche eher von außen, die anderen eher von innen. Die einen leiden eher an der Kirche, die andern leiden eher mit der Kirche.
Doch lassen wir uns eines gesagt sein: Solange es in dieser Kirche Menschen gibt, die ihre Kirche lieben, und Menschen, die von Herzen für ihre Kirche beten, so lange ist Hoffnung da.
Solange es Menschen gibt, die auch für diejenigen beten, die in dieser Kirche Verantwortung tragen, so lange gibt es keinen Grund die Kirche aufzugeben.
"Das Gebet ersetzt keine Tat, aber das Gebet ist eine Tat, die durch nichts anderes zu ersetzen ist."
Beharrliches Beten vermag Türen zu öffnen, die nicht nur verschlossen sind, sondern manchmal sogar verriegelt und verrammelt und dazu noch verrostet. Und damit meine ich nicht nur im äußerlichen Sinn die Türen unserer Häuser und die Türen unserer Kirchen, die sicher auch. Denn natürlich sind geöffnete Türen auch ein schönes Sinnbild für eine einladende und offene Gemeinde.
Doch vor allem meine ich die Türen in den Herzen der Menschen. Und ich meine auch die Türen in der Gemeindearbeit, die sich manchmal auf erstaunliche Weise, ganz unvermittelt und unerwartet und auch unverhofft auftun.
Offene Türen kann man nicht einfordern, schon gar nicht erzwingen, aber man kann sie von Gott erbitten. Ich habe mir als Pastor abgewöhnt, mit beiden Fäusten an verschlossene Türen zu trommeln. Doch ich staune immer wieder, dass Gott manchmal Türen gerade da aufschließt, wo ich es nicht erwartet hätte.

Als wir am vergangenen Montag auf einem kleinen Treckeranhänger rund um Coppengrave unterwegs waren und immer wieder auch an der Kirche vorbeifuhren, da zeigte mir jemand ziemlich liebevoll einen wunderschönen alten Schlüssel. Es war der Schlüssel für die Eingangstür der Kirche in Coppengrave. Was für ein schönes Sinnbild auch für das, was uns in diesen Tagen der Visitation miteinander verbindet.
Haben wir uns nicht alle miteinander auf die Suche gemacht nach dem Schlüssel, der uns einen neuen Zugang eröffnet? Einen neuen Zugang zu den Herzen der Menschen? Einen neuen Zugang zum Miteinander unserer Gemeinden? Einen neuen Zugang zu dem Geheimnis des Glaubens, das sich auch hier bei uns immer mehr Menschen verschließt?
Schauen wir noch einmal hinein in diese wunderbare alte Geschichte aus der Anfangszeit der Kirche. Wie geschah es, dass sich die Türen des Gefängnisses geöffnet haben? Die Antwort ist offensichtlich: Die Türen öffneten sich in Folge einer Visitation, in diesem Falle einer geradezu himmlischen Visitation: Gott der Herr sandte einen Engel!
Und die Ketten lösen sich, die Türen öffnen sich, ein Mensch richtet sich wieder auf und macht sich neu auf den Weg. Eine Zeit lang wird er noch fürsorglich von dem Engel begleitet, dann aber ist er wieder auf eigene Füße gestellt.

Auch im Leben einer Gemeinde begegnen uns immer wieder Engel, meistens in Gestalt eines Menschen. Und vielleicht sagt so ein Mensch uns zunächst genau dasselbe, was der Engel damals dem Petrus gesagt hat: "Binde dir den Gürtel um und zieh deine Schuhe an und wirf dir deinen Mantel um" Mach dich einfach auf den Weg - Gott wird dir schon die nächsten Schritte zeigen, die du gehen sollst."
Und wie gesagt, es mag sein, dass es zunächst nur die Stimme eines Menschen ist. Doch auf einmal spüren wir, dass Gott selber durch diesen Menschen zu uns spricht: "Ja, so ist es. Mach dich auf den Weg!" Sei getrost und voller Zuversicht! Ich werde die verschlossenen Türen für dich auftun, du wirst es erleben".
So - oder so ähnlich - stelle ich mir das vor mit den Engeln Gottes, auch in meinem Leben. Engel sind vor allem dazu da, uns auf unserm Weg zu begleiten und zu geleiten. Und eine der schönsten und wichtigsten Aufgaben der Engel ist es, uns auf unserem Weg zu ermutigen. Und dabei sind Engel immer wieder erstaunlich vielseitig, ziemlich kreativ und außerordentlich einfühlsam.

Ich möchte stellvertretend für all die vielen Engel drei Engel zu Wort kommen lassen, die mir persönlich sehr viel bedeuten.
Der erste Engel ist der Engel der Geborgenheit.
Der Engel der Geborgenheit begleite dich. Wenn dich die Kapriolen des Lebens durchgeschüttelt haben, lasse er dich zur Ruhe kommen. Wenn du nicht weißt, wo dir der Kopf steht, weil du nicht fassen kannst, was dir geschieht, dann mache er dich gewiss, dass Gott dich nicht aus den Augen verloren hat. Wenn du den festen Boden unter deinen Füßen zu verlieren drohst, stärke er die Gewissheit in dir, dass dein Leben sich zu leben lohnt. jeden Tag, jede Minute. Wenn du glaubst, du stehst in allem völlig allein, öffne er dir die Augen für die Menschen, bei denen du dich zu Hause fühlen kannst.

Der zweite Engel ist der Engel des Trostes.
Der Engel des Trostes sei in deiner Nähe, wenn dich ein Schicksalsschlag getroffen hat! Wenn du in deinem Schmerz wie gelähmt bist, nehme er dich an die Hand und führe dich nach draußen unter Gottes freien Himmel. Er lenke deinen Blick auf den Wechsel der Zeiten, auf die Knospen der Bäume, die schon im Winter auf den Frühling deuten, auf die Sonne, die am Morgen auch die dunkelste Nacht beenden wird. Er sende Menschen zu dir, die dir mit Geduld begegnen, die dir zeigen, du wirst gebraucht. Er gebe denen, die dich trösten wollen, die nötige Vorsicht, ihre Worte zu wählen, ein gutes Gespür für das Reden und das Schweigen.

Der dritte Engel ist der Engel der Hoffnung.
Wenn du nicht weißt, wie es weitergehen soll, mache er dein Herz stark und deine Träume lebendig. Er lenke deinen Blick weg von dem steinigen Weg hinaus in die Wolken und weiter zum Horizont. Er lasse deine Klagen verstummen, deine Ängste schwinden und deine Zweifel verfliegen. Er lasse dich das Vertrauen zu den Menschen festhalten. Er schenke dir den festen Glauben, dass du dich Gott überlassen kannst bei allem, was dir geschieht.

Gott schenke uns allen die innere und auch die äußere Erfahrung des Glaubens, die einmündet in das staunende Bekenntnis: "Nun weiß auch ich, wahrhaftig, dass der Herr seinen Engel zu mir gesandt hat!" Er hast mich getröstet, er hat mir neue Zuversicht gegeben, in der Mühsal meines Lebens, in den Beschwernissen meines Alltags, in der festgefahrenen Situation, in der ich mich befinde. Er hat mich befreit aus dem Gefängnis meiner Angst, die immer wieder so viel Macht über mich gewinnt und mir den Atem zum Leben nimmt. Nun darf ich zaghaft, und doch mutig neue Schritte gehen. Er hat mich befreit aus dem Gefängnis meiner Einsamkeit, und hat mir die Augen geöffnet für die Gemeinschaft deren, die mit Jesus Christus durchs Leben gehen, in unserer Gemeinde und in unserer Kirche. Er hat mich befreit aus dem Gefängnis meiner selbst, hat den engen Horizont meiner Lebensmöglichkeiten gesprengt und meinen Blick geöffnet für Gottes neue Welt.

Denn "Christus Jesus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht durch das Evangelium."

AMEN
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