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Hoffnungsbrief Nr. 25

Eingang: 09.09.2020, Veröffentlicht: 10.09.2020

Hoffnungsbrief Nr. 25
Foto: Johanna Ladwig


Liebe Gemeinde,

eine meiner Lieblingsszenen in dem wunderbaren Film “Mit Herz und Hand” ist der Moment, in dem sich die Hauptperson, Burt Monroe, passionierter Motorradfahrer und –schrauber, von den Nachbarn ein scharfes Bratenmesser ausleiht, um das Profil seiner Mopedreifen abzuschneiden. Man kann sich ungefähr denken, warum er das tut. Er will mit seiner 46 Jahre alten Indian einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen – und auf trockenen Rennstrecken kann man seine Rundenzeiten durch Slicks (also Reifen ohne Profil) stark verbessern.

Anhand des Profils der Motorradreifen kann man einige Rückschlüsse über den Fahrer ziehen. Bei Leuten, die viele Kurven fahren, ist das Profil gleichmäßig abgefahren. Wenn es immer geradeaus ging, wird in der Mitte weniger Profil sein als an den Rändern. Manches Gummi ist schon leicht porös, weil der Fahrer wenig Zeit hat und die Reifen eher durch Altersschwäche unbrauchbar werden als durch Abnutzung. Und mancher Reifen hat vielleicht gerade überproportional viel Abrieb gehabt – da wurde scharf gebremst, weil man selbst – oder ein anderer Verkehrsteilnehmer- unaufmerksam war. Aber wie auch immer – mit der Zeit verlieren die Reifen an Profil, und wenn ein normaler Reifen aussieht wie ein Slick, dann ist es höchste Zeit, zum Reifenhändler zu gehen – denn im normalen Straßenverkehr verliert man sonst leicht die Haftung.

Einen Unterschied zwischen profillos und profiliert gibt es aber nicht nur bei Mopedreifen, sondern auch bei Menschen – und auch an unserem Profil gibt es auf dem Weg unseres Lebens manchen Abrieb, werden wir abgeschliffen durch Erwartungen und Vorstellungen davon, wie das Leben zu sein hat. Und manche haben ihr Profil so gut versteckt im Gerümpelkeller des Lebens, dass es rissig geworden ist und unbrauchbar. Dabei hat doch jeder Mensch ein ganz besonderes Profil – ist jeder Mensch als absolutes Einzelstück von Gott erdacht. Wir feiern das in jeder Taufe, sprechen es jedem Kind zu: du bist etwas Besonderes! DU – genauso wie du bist – bist von Gott so gewollt, bist von Gott geliebt. Ein Vers aus dem Jesajabuch bringt das schön zum Ausdruck. Da heißt es: “So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.” Gott kennt jeden Menschen beim Namen; er nimmt jeden Menschen wahr in seiner Individualität, in dem, was ihn oder sie ausmacht—eben mit seinem/ihrem besonderen Profil.

Unsere Individualität wird am deutlichsten im Fingerabdruck, der ja bei jedem Menschen anders ist. Genauso unterscheiden wir uns im Aussehen, im Denken und Fühlen, in den Vorstellungen, Gedanken und Meinungen. Niemanden von uns gibt es zweimal, jede und jeder von uns ist einmalig. Das ist wunderbar – zugleich aber auch schwer: diese Einmaligkeit zu entdecken und sie auch auszuhalten; das eigene Profil wertzuschätzen und nicht so sein zu wollen wie jemand anderes oder wie die breite Masse.

Für uns Christen ist auch der Glaube so ein Stück des eigenen Profils. Ich denke, wenn wir mit unserem Glauben Spuren auf den Straßen des Lebens hinterlassen, dann ist das eine gute Sache – und anders als ein Motorradreifen können wir ja auch immer wieder Profil gewinnen im Laufe unseres Lebens, können immer wieder neu beginnen, nach Gott und nach uns selbst zu suchen und das zu verwirklichen, was uns am Herzen liegt. Das ist auch eine Lebensweisheit Burt Monroes: “Wenn wir unsere Träume nicht leben, dann könnten wir genauso gut ein Gemüse sein – ein Kohlkopf zum Beispiel.”

Herzlichst, ihre Zwischenzeitpastorin
Anne-Christin Ladwig
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